… jetzt müssen wir liefern!

„Radikal ist das neue Realistisch“ wird Robert Habeck in einem Zeit-Interview zitiert und bringt damit die jetzt von den Grünen erwartete Politik auf den Punkt.  (Ausgabe 44/2018, https://www.zeit.de/2018/44/die-gruenen-robert-habeck-annalena-baerbock-landtagswahl-bundespolitik-erfolg/seite-5)

Wenn die jüngsten Wahlergebnisse keine Eintagsfliegen werden sollen, müssen die Grünen JETZT langfristige und eindeutige Weichenstellungen vornehmen, bzw. wo diese erfolgt sind in den letzten Monaten, diese festzurren. Die Zeit des Rumeierns ist vorbei!

Was macht die Grünen derzeit so stark?

Das sind vor allem zwei Faktoren, und der wesentliche ist bei den anderen Parteien zu suchen:

Zum Ersten – die aktuelle Lage der anderen Parteien:

  • die spätestens seit der AKK-Wahl klar erkennbare Richtungslosigkeit der Unionsparteien (zurück nach rechts, ähh, nein doch nicht …) und – von Rezo gnadenlos offengelegt – der weitgehende Unterschied zwischen Reden und Handeln, sei es beim Klima, im Sozialen oder bei Ramstein …
  • der selbstverschuldete Absturz der Sozialdemokraten durch Konzeptlosigkeit, ewigem Rumeiern und ihre höchst unprofessionellen Führungskräfte, die sich gleich im Dutzend an Unfähigkeit überbieten
  • der Chaotismus und die ewigen Streitigkeiten bei den Linken
  • der FDP, der das „Nichtregieren ist besser als schlecht regieren“ noch lange anhaften wird
  • der AfD, die zum größeren Teil als Protestsignal gewählt wird, in der jedoch die Rechtsextremen und die Dummschwätzer sich brüderlich die Macht teilen und die dadurch (zum Glück) nicht in der Lage ist, auch nur den Stimmenanteil der Protestwähler*innen zu bündeln.

Fällt bei der CDU noch der Merkelbonus weg, so wird sich auch hier der Absturz weiter beschleunigen. Dazu kommt, dass die Deutschen und vor allem die Jugend sich in den letzten Jahren politisiert (im Sinne von „Interesse für die Politik entdeckt“) haben, wie dies vor wenigen Jahren noch als unvorstellbar gehandelt wurde. Was sollen also die Neu-an-der-Politik-Interessierten und die aus der Nichtwählerschaft Zurück -Geholten wählen?

Zum Zweiten haben die Grünen erstmalig in ihrer Geschichte in den letzten Jahren das meiste (zumindest soweit es offen erkennbar ist)  richtig gemacht: Eine taffe, eloquente und gleichzeitig fachlich gute Doppelspitze, die es zu dem noch geschafft haben, die leidigen Flügelkämpfe zu befrieden, die richtigen Themen aufgegriffen und gepuscht und – s.o. – zu einer neuen – derzeit nötigen und auch von der Wählerschaft geforderten Radikalität zurück gefunden. Ruckelte das auf den letzten Parteitagen noch gewaltig, so scheint jetzt hier endlich die Erkenntnis gereift zu sein: WIR müssen die richtigen Forderungen stellen und versuchen, sie durchzusetzen, runtergehandelt werden wir in Koalitionsverhandlungen sowieso automatisch. Das muss also VORHER eingepreist sein, um das Ergebnis noch im wirkungsvollen Bereich zu erreichen. Früher wurde die Partei jahrelang genötigt, die zu erwartenden möglichen Koalitionsergebnisse schon in den grünen Forderung festzuschreiben. Die Ergebnisse sind bekannt …

Was müssen wir tun?

Um den hochgeschraubten Erwartungen gerecht werden,

  • sind unsere Programme u.a. an die Realität, d.h. z.B. an die berechtigten Forderungen der „Experten“ (Gruß an Lindner) anzupassen, in der Klima- und Umweltfrage, bei Frieden, Verkehr, Sozialem und eigentlich allen Themenfeldern. Unser Bundestagsprogramm entspricht schon heute nicht der von uns erwarteten (und in den Wahlkämpfen versprochenen) Politik.
  • ist die sog. GroKo im Bundestag herausfordern. Der „Schmuse“-Kurs der letzten Jahre (z.B. Finanzierung Atomendlager) ist beendet, grüne Forderungen werden nur noch gegen „harte Münze“ (= messbare Umsetzung andere grünen Forderungen) aufgegeben, nicht mehr gegen vage Zusagen, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen.
  • müssen wir DIE Missstände angehen, die den Menschen auf den Nägeln brennen: Autohersteller, die ihre Kunden betrügen, und Internetfirmen, die keine Steuern zahlen dürfen nicht länger ungeschoren damit durch kommen.
  • sind in den Länderregierungen (und damit im Bundesrat) grüne Positionen zu schärfen, auch – wenn nötig – mit massivem Druck auf die Koalitionspartner und zur Not dabei auch mit dem Platzen einer Koalition. Z.B. die Fragen zu Büchel und Ramstein (ausdrücklichen Dank an Rezo dafür!) müssen zunächst in Rheinland-Pfalz angegangen, HIER haben wir eine grünen Regierungsbeteiligung.

Ganz oben auf die Agenda gesetzt gehört die soziale Frage – inkl. der Abschaffung von Hartz IV: Grundrente ist richtig, die SPD-Methode, damit Wahlkampf zu betreiben aber so durchsichtig, dass sie scheitern muss. Eine Grundrente für reiche Gattinnen pensionierter Zahnärzte mit 10 Miethäusern ist niemanden zu erklären, wenn gleichzeitig Menschen mit 34,5 Einzahlungsjahren leer ausgehen.

Mittlerweile ist völlig ungewiss, ob die große Koalition und die Kanzlerin sich bis zur nächsten Bundestagswahl im Jahr 2021 überhaupt an der Macht halten können – oder ob sie im Dezember bei der Halbzeitbilanz oder noch früher scheitern. Dann müssen die Grünen bereit sein, zu handeln. Das heißt, die Vorbereitungen dafür müssen JETZT, HIER und HEUTE beginnen.

Karl-W. Koch, OV Mehren,
Sprecher der LAG Verkehr RLP
Koordinator AK Atom (Bundesebene)
Mitglied in den BAGen Frieden und Energie

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